Autonomie für Bergkarabach – wie steht das Völkerrecht dazu?

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Die Kriegshandlungen um die Region Bergkarabach forderten bis zum Waffenstillstandsabkommen zwischen Aserbaidschan und Armenien Tausende Tote und Verletzte. Zehntausende Menschen sind auf der Flucht. Die Frage nach dem Status des Gebietes im Südkaukasus heizt den Konflikt an. Völkerrechtlich ist die Frage nur mit einem Blick in die Geschichte zu bewerten.

Infolge der Oktoberrevolution wurde den zum ehemaligen Zarenreich gehörigen Regionen das Austrittsrecht aus dem russischen Staatsverband gewährt. Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan erklärten sich 1918 für unabhängig. Beide Nationen erhoben Anspruch auf Bergkarabach, das zu 90 Prozent armenisch bevölkert war. Die Kämpfe um die Region wurden durch den Einmarsch der Roten Armee zwei Jahre später beendet. Armenien, Aserbaidschan und auch Bergkarabach wurden Teil der Sowjetunion. 1921 sprach Stalin Bergkarabach der aserbaidschanischen SSR zu.

Im Jahr 1988 trat Bergkarabach jedoch als Autonomes Gebiet Arzach aus Aserbaidschan aus. Dieser Akt löste erneute Unruhen und Vertreibungswellen aus. Verfechter des Autonomiebestrebens von Bergkarabach beziehen sich vor allem auf die Unabhängigkeitserklärung 1991. Am 3. September des Jahres erklärte die Region als Republik Bergkarabach nach Armenien und Aserbaidschan seine eigene Unabhängigkeit. Wieder kam es zu Kampfhandlungen in den Grenzgebieten. Aserbaidschan schaffte den autonomen Status Bergkarabachs wieder ab. Daraufhin fand am 10. Dezember 1991 ein Unabhängigkeitsreferendum statt, das allerdings von der aserbaidschanischen Bevölkerung boykottiert wurde. Mit 99,89 Prozent der Stimmen wurde das Referendum zugunsten der Autonomie des Gebietes entschieden. Diese Entscheidung wurde allerdings weder von der UN noch von irgendeinem Einzelstaat anerkannt, die Bergkarabach weiterhin Aserbaidschan zurechnen.

Während Bergkarabach auf sein Recht auf nationale Selbstbestimmung verweist, pocht Aserbaidschan auf seine territoriale Integrität. Völkerrechtlich ist das Thema komplex. Der deutsche Rechtswissenschaftler und Jurist Otto Luchterhandt sieht die Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts als höherwertiger als das Recht auf territoriale Integrität: „[Beim Bergkarabach-Konflikt] wird häufig gesagt, in den Medien, auch von Völkerrechtlern, dass das Selbstbestimmungsrecht (der Bergkarabach-Armenier) gewissermaßen auf der einen Seite stehe, und auf der anderen Seite das von Aserbaidschan in Anspruch genommene Prinzip der territorialen Integrität. Dies ist eine unrichtige Gegenüberstellung. Das Prinzip der territorialen Integrität ist kein selbstständiges Prinzip der Charta der Vereinten Nationen, sondern es ist eingeordnet als ein Untergesichtspunkt, […] die territoriale Integrität hat eine untergeordnete Bedeutung.“

Demokratiezentrum für Transparenz

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