Politikwissenschaftler wie Wolfram Lacher gehen mittlerweile davon aus, dass der Krieg in Libyen ohne die Beteiligung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) schon seit längerem beendet gewesen wäre. Der emiratische Einfluss und die komplexen Netzwerke von “Soft Power” der Erbmonarchie wachsen seit ihrer Rolle in den Nachwehen des Arabischen Frühlings von 2011 stetig, aber vergleichsweise unbemerkt, an. Libyen ist eines von mehreren Ländern, in denen die Regionalmacht um Einflusszonen ringt.
Der libysche Bürgerkrieg, der sich mehr und mehr in einen Stellvertreterkrieg zwischen verschiedenen Regional- und Weltmächten entwickelt hat, forderte bereits Tausende von Todesopfer. Ein UN-Waffenembargo sollte die Lage entschärfen. Allerdings wurde es bereits wiederholt verletzt. Auch die VAE unterstützen offiziell das Waffenembargo “Operation Irini” für Libyen, auf das sich verschiedene Staaten auf einer Konferenz im Januar 2020 verständigten. De facto bleiben die Emirate aber einer der Hauptunterstützer des abtrünnigen Generals Khalifa Haftar, der sich zu einem Warlord aufschwingen konnte.
Entgegen aller Abkommen läuft die Unterstützung über militärische Ausrüstung weiter. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind der einzige staatliche Akteur, der Anfang des Jahres auf die Wing Loong II, das chinesische Pendant zur US-“Predator”-Drohne, zurückgriefen, die zu einem Anschlag auf zahlreiche Kadetten genutzt wurden. Zwischen April 2019 und 2020 führte der Golfstaat 850 Kampfjet- und Drohnenangriffe in Libyen durch. Die Emirate halfen der Die Libysch-Nationale Armee (LNA) unter Haftar wurde von den VAE mit modernen Kampfflugzeugen ausgestattet und alleine im ersten Quartal des Jahres 2020 organisierten die Emirate mehr als 100 mit Waffen bestückte Transportflügzeuge für die libyschen Verbündeten.
Was die VAE als “Politik der Stabilität” bezeichnet, folgt klaren politischen Zielen. Die Vereinigten Arabischen Emirate fürchten ein Erstarken der Muslimbrüder in der Region und erachten Haftar und die ihm untergebenen salafistischen Milizen als Bollwerk gegen eine solche Entwicklung. Ein natürlicher Verbündeter gegen eine Stärkung der Muslimbruderschaft, der den VAE bereits Militärstützpunkte für Drohnenangriffe überließ, ist die ägyptische Militärdiktatur unter Sisi. Insbesondere die Kontrolle der Stadt Sirte und seiner Küste bringt darüber hinaus Erdölverkommen mit sich.
Die Bündnispartner und unterstützten Milizen am Boden mögen wechseln, aber das Ziel der Emirate bleibt gleich: Auch in Libyen steckt hinter der “Politik der Stabilität” die Ausweitung der aufstrebenden Rolle der kleinen Golfmonarchie im Nahen und Mittleren Osten.