Die militärischen Aktivitäten der USA haben sich in den ersten Monaten nach Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit im Jahr 2025 erheblich verschärft. Zwischen Januar und Mai 2025 führten amerikanische Streitkräfte 529 Luftschläge auf 240 Ziele im Nahen Osten, Zentralasien und Ostafrika durch. Diese Zahl kommt nahezu an die gesamte Anzahl der Luftschläge während Joe Bidens Präsidentschaft heran und markiert einen drastischen strategischen Kurswechsel. Besonders auffällig: Trump hatte im Wahlkampf versprochen, die „endlosen Kriege“ zu beenden – die neue Intensität der Luftoperationen widerspricht diesem Versprechen deutlich.
Im Mittelpunkt dieser Eskalation stand die Operation „Rough Rider“ im Jemen, die zwischen März und Mai 53 Tage andauerte. Allein 339 Luftschläge in diesem Zeitraum machten sie zu einer der heftigsten Bombardierungskampagnen seit Beginn der saudisch geführten Intervention im Jahr 2015. Laut Beobachtungsorganisationen kamen dabei 238 Zivilisten ums Leben, darunter mindestens 24 Kinder, und Hunderte wurden verletzt. Diese Zahlen liegen fast auf dem Niveau der zivilen Opfer aus zwei Jahrzehnten US-Militäreinsatz im Jemen – was Fragen nach Effizienz, Moral und der Übernutzung von Luftgewalt als Konfliktmittel aufwirft.
Doktrinärer Wandel: Luftmacht statt Bodeneinsatz
2025 zeichnet sich Trumps Militärstrategie durch schnelle, überwältigende Luftoperationen aus, statt durch längere Bodenkriege. Dieses Modell soll amerikanische Truppenpräsenz im Ausland minimieren und gleichzeitig die Fähigkeit erhalten, Gegner gezielt zu treffen oder abzuschrecken. Es kam zu mehreren hochrangigen Luftangriffen im Iran, Irak, in Somalia und Syrien – meist auf strategisch wertvolle Ziele oder Führungspersonal. Besonders umstritten war ein US-Angriff im Juni auf drei iranische Nuklearanlagen, der internationale Proteste auslöste und die Spannungen in der Region verschärfte.
Diese Taktik verkörpert die Strategie des „maximalen Drucks durch Gewalt“ – Gegner sollen abgeschreckt werden, ohne dass Bodentruppen notwendig sind. Professorin Clionadh Raleigh, Gründerin des Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), beschrieb die Luftschläge als „Standardreaktion“, die auf schnelle Effizienz statt langfristige Stabilisierung setzt. Zwar spart sie Kosten und verhindert innenpolitischen Widerstand gegen Bodeneinsätze – doch sie wirft Fragen nach Verhältnismäßigkeit, Zielgenauigkeit und strategischer Kohärenz auf.
Humanitäre und rechtliche Folgen eskalierter Angriffe
Zivile Opfer und rechtliche Prüfungen
Mit der neuen Dominanz der Luftkriegsführung steigen auch die zivilen Opferzahlen deutlich. Allein im Jemen forderten US-Luftschläge im Jahr 2025 bereits 224 bestätigte zivile Todesopfer – fast so viele wie in den vergangenen 23 Jahren insgesamt. Zwei Luftangriffe im April – auf ein Migrantenzentrum und ein Wohngebiet in Al Hudaydah – wurden von Amnesty International und Human Rights Watch als mögliche Kriegsverbrechen eingestuft, da keinerlei militärische Infrastruktur erkennbar war.
Emily Tripp, Direktorin der NGO Airwars, erklärte:
„Für solch hohe zivile Opferzahlen gibt es keine Rechtfertigung.“
Sie kritisierte insbesondere die mangelnde Transparenz des Pentagons bei der Untersuchung solcher Vorfälle. Die internationale Gemeinschaft stellt zunehmend die Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch die USA infrage – insbesondere im Hinblick auf die bevorzugte Verwendung von Luftangriffen ohne umfassende Aufklärung vor Ort.
Diplomatische Folgen und strategische Gegenreaktionen
Trumps Fokus auf einseitige Militäraktionen, ohne enge Abstimmung mit Partnern, sorgt auch diplomatisch für Reibung. NATO-Partner und Mitglieder des Golf-Kooperationsrates sind zunehmend besorgt über die Unvorhersehbarkeit der US-Außenpolitik. Auf der Gegenseite nutzten Staaten wie Iran die Luftschläge als Rechtfertigung für Vergeltungsmaßnahmen und zur Mobilisierung antiamerikanischer Stimmungen.
Innenpolitisch führt die Diskrepanz zwischen Trumps Anti-Kriegs-Rhetorik und der Realität eskalierender Luftoperationen zu wachsender Kritik. Zwar begrüßen viele seiner Unterstützer die Vermeidung neuer Bodenkonflikte, doch Unmut wächst über die humanitären Folgen, die fehlende Transparenz und die scheinbare strategische Planlosigkeit.
US-Ziele neu bewertet: Terrorbekämpfung und globale Machtprojektion
Zielgerichtet gegen nichtstaatliche und staatliche Akteure
Die Militärstrategie der Trump-Regierung zielt auf zwei Kernziele: Terrorismusbekämpfung und strategische Abschreckung. Luftangriffe auf Al-Shabaab-Stellungen in Somalia und Überreste des Islamischen Staates im Irak und in Syrien setzen sich fort. Gleichzeitig spitzt sich der Konflikt mit staatlichen Akteuren wie Iran zu – dessen Atomprogramm und regionale Einflussnahme zunehmend militärisch ins Visier geraten.
Diese Operationen fügen sich in die sogenannte Neuauflage von „Project 2025“ ein – einem politischen wie militärischen Großvorhaben zur Modernisierung amerikanischer Waffensysteme, einschließlich Hyperschallwaffen und nuklearer Abschreckung. Zwar entspricht dies der Vision einer „Großmachtrivalität“, doch die einseitige Umsetzung über Luftschläge ohne diplomatische Einbettung macht deutlich, dass es an kohärenter Langfriststrategie fehlt.
Kommandozentralisierung und militärische Autonomie
Unter Trump wurde die militärische Entscheidungsgewalt weiter im Weißen Haus konzentriert. Entscheidungen erfolgen oft ohne Kongressbeteiligung und mit begrenzter Abstimmung mit anderen Behörden. Diese Struktur ermöglicht zwar schnelle Reaktionen, birgt aber laut Experten das Risiko unkontrollierter Eskalationen.
Analystin Rachael Blevins kommentierte:
„Die Luftoffensive unter Trump zeigt die Spannungen zwischen politischer Rhetorik und operativer Realität – mit Risiken strategischer Unklarheit und wachsender humanitärer Kosten.“
It took Trump *checks notes* less than two months to go from promising “No new wars,” to bombing Yemen and killing dozens of civilians, including several children, and openly threatening war against Iran… pic.twitter.com/1tgeFDwUMu
— Rachel Blevins (@RachBlevins) March 17, 2025
Der Umgang mit den Widersprüchen in Trumps Militärstrategie
Trumps Doppelnarrativ – militärischer Rückzug einerseits, eskalierende Luftangriffe andererseits – erzeugt innere Widersprüche in der außenpolitischen Ausrichtung der USA. Einerseits bleibt er seinem Wahlversprechen treu, Bodentruppen aus Konflikten herauszuhalten. Andererseits widersprechen die zunehmenden Luftschläge sowohl diesem Versprechen als auch der Idee von Zurückhaltung in der Außenpolitik.
Dieser Widerspruch führt zu Irritationen bei internationalen Beobachtern, schwächt die Soft Power der USA und erschwert die Zusammenarbeit mit Verbündeten. Viele fragen sich, ob die USA unter Trump ein verlässlicher Stabilitätsfaktor oder ein taktisch agierender, unberechenbarer Akteur sind.
Politik ohne Strategie
Zwar erreicht Trumps Luftkampagne kurzfristige militärische Ziele, doch es fehlt die politische Nachsorge. Ohne Governance-, Wiederaufbau- und Diplomatiestrategien droht dauerhafte Instabilität. Extremistische Gruppen nutzen das entstandene Machtvakuum, um antiamerikanische Narrative zu verstärken.
Ohne klar definierte Ziele, Eskalationsgrenzen und Ausstiegsszenarien wirkt die Luftkampagne eher wie eine Reihe improvisierter Reaktionen als eine konsistente Sicherheitsstrategie. Zwar kann dieses Vorgehen kurzfristig abschrecken, es untergräbt jedoch auf lange Sicht das Ansehen und den Einfluss der USA.
Die erste Hälfte des Jahres 2025 bietet ein aufschlussreiches Bild der militärischen Haltung Trumps in seiner zweiten Amtszeit: entschlossen, reaktiv und luftwaffenlastig. Doch hinter dieser Machtdemonstration steckt ein grundlegender Widerspruch – zwischen Wahlversprechen zum Rückzug und der Realität fortdauernder militärischer Interventionen. Mit jedem weiteren Luftschlag wächst die Frage, welchem strategischen Ziel diese Einsätze dienen – und ob sie nicht mehr zur Instabilität beitragen, als sie zu verhindern. Die Wechselwirkung zwischen Politik, Militärtechnologie und internationalem Recht wird nicht nur Trumps außenpolitisches Vermächtnis prägen, sondern auch die zukünftige Rolle der USA in einer zunehmend fragmentierten Weltordnung.