Am 27. August 2025 fand im Weißen Haus ein nicht-öffentliches politisches Treffen statt, bei dem der US-Präsident Donald Trump, der ehemalige britische Premierminister Tony Blair und Trumps Schwiegersohn sowie Nahost-Berater Jared Kushner zusammenkamen.
Thema des Treffens war Gaza: der jahrzehntelange Konflikt, die sich verschärfende humanitäre Krise und neue Kontroversen über eine mögliche Nachkriegsordnung. Auch hochrangige Verwaltungsbeamte wie Sondergesandter Steve Witkoff nahmen teil. Offiziell wurde das Treffen als routinemäßiges Briefing eingestuft – nicht als diplomatischer Durchbruch.
Die Teilnehmerliste und die Tagesordnung zeigen dennoch, dass verstärkt versucht wird, eine Agenda für die Zeit nach dem Konflikt zu entwickeln – in einem Krieg, der seit neun Monaten andauert und dessen Ende nicht absehbar ist. Das Treffen fiel mit stagnierenden Waffenstillstandsverhandlungen, einer sich verschärfenden Hungersnot in Gaza und internationalen Appellen nach humanitärer Hilfe zusammen.
Geiselnahmen und humanitäre Hilfe
Im Mittelpunkt des Treffens standen die Situation israelischer Geiseln und die katastrophale humanitäre Lage der 2,3 Millionen Menschen in Gaza. Die Trump-Administration betonte die Dringlichkeit, humanitäre Korridore zu öffnen, Lebensmittel und Medikamente bereitzustellen und einen internationalen Zugang zur Hilfe zu ermöglichen. Beamte der US-Regierung erklärten, die Krise in Nord-Gaza habe bereits Hungersnot-Charakter erreicht und erfordere sofortige logistische Planung, um weitere Todesfälle zu vermeiden.
Überlegungen zur Nachkriegsverwaltung
Das Treffen befasste sich auch mit der heiklen Frage, wie Gaza nach dem Krieg verwaltet werden könnte – ein Thema, zu dem es bisher keine internationale Einigung gibt. Berater Trumps brachten offenbar Vorschläge für eine Übergangsverwaltung durch eine multinationale Truppe ins Spiel, ohne Beteiligung der Hamas, die weiterhin von den USA und Israel als Terrororganisation eingestuft wird. Solche Ideen bleiben jedoch theoretisch, solange die Gewalt andauert und es keine umfassenden Verhandlungsforen gibt.
Die Rolle von Blair und Kushner in der Nahost-Diplomatie
Tony Blairs Teilnahme verleiht dem Treffen eine historische Dimension. Auch nach seinem Amtsende engagiert sich Blair über sein Institut für Globalen Wandel weiterhin im Nahost-Prozess und unterhält diplomatische Kanäle zu palästinensischen und israelischen Akteuren. Seine Überzeugung, wirtschaftliche Entwicklung könne den Frieden fördern, ist zentral für seine Strategie – wird aber von Kritikern als unzureichend betrachtet, da sie die politischen Ursachen des Konflikts nicht adressiert.
Blairs Rückkehr auf das politische Parkett zeigt den Versuch, frühere diplomatische Konzepte wiederzubeleben. Doch seine Rolle im Irakkrieg und das Scheitern früherer Friedensverhandlungen werfen einen Schatten auf seine aktuelle Glaubwürdigkeit.
Jared Kushner und strategische Netzwerke
Obwohl Jared Kushner kein offizielles Amt mehr bekleidet, bleibt sein Einfluss in der Nahostpolitik erhalten. Seine engen Beziehungen zu Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und zu Führern der Golfstaaten trugen maßgeblich zum Zustandekommen der Abraham-Abkommen bei. Jetzt berät er informell in Fragen des Wiederaufbaus in Gaza.
Kushners diplomatischer Ansatz ist stark von wirtschaftlichen Interessen geprägt: Er sieht wirtschaftliche Entwicklung als Weg zur Stabilität – eine Sichtweise, die oft dafür kritisiert wird, politische Rechte und Gerechtigkeit zu vernachlässigen.
Trumps „Riviera“-Vision und ihre Folgen
Donald Trump hat intern die Idee einer „Mittelmeer-Riviera“ in Gaza diskutiert – eine Vision, in der Gaza sich in einen Wirtschaftsknotenpunkt mit Tourismus und Großinvestitionen verwandeln soll. Konkrete Pläne wurden nicht veröffentlicht, doch Medienberichten zufolge beinhaltet das Konzept riesige Infrastrukturprojekte. Kritiker werfen Trump vor, die Realität vor Ort auszublenden und sogar das Risiko von Zwangsumsiedlungen in Kauf zu nehmen.
Angesichts der massiven Zerstörung in Gaza und der Vertreibung von über einer Million Menschen ist eine solche Vision derzeit kaum realistisch. Ohne Waffenstillstand und politischen Dialog wirken derartige Pläne wie Luftschlösser – oder gar Provokationen.
Humanitäre Notlagen unter politischem Druck
Jegliche diplomatische oder entwicklungspolitische Initiative wird durch die fortlaufenden israelischen Militäreinsätze erschwert, die laut lokalen Gesundheitsbehörden seit Oktober 2023 über 62.000 Palästinenser das Leben gekostet haben. Hilfsorganisationen warnen vor akuter Hungersnot und dem Kollaps der Infrastruktur. Ganze Stadtviertel in Gaza-Stadt seien „dem Erdboden gleichgemacht“ worden. Unter diesen Bedingungen müssen humanitäre Belange Vorrang haben.
Zudem ist der Verhandlungsspielraum der israelischen Regierung durch innenpolitischen Druck begrenzt – etwa durch Massenproteste, die die Rückkehr der Geiseln fordern. Trumps pauschale Strategie muss sich also mit einem komplexen Geflecht aus innen-, regional- und außenpolitischen Zwängen auseinandersetzen.
Regionale und internationale Abstimmung
Im Anschluss an das Treffen im Weißen Haus reiste Israels Minister für Strategische Angelegenheiten, Ron Dermer, zu weiteren Gesprächen mit US-Vertretern. Außenminister Marco Rubio traf sich mit Israels Außenminister Gideon Sa’ar, um sowohl militärische als auch politische Themen abzustimmen.
Diese Konsultationen zielen auf eine gemeinsame Vision von Sicherheitsgarantien und politischer Stabilität ab. Doch Differenzen bleiben bestehen – vor allem im Hinblick auf den humanitären Zugang und die politische Repräsentation der Palästinenser auf internationaler Ebene. Die Herausforderung bleibt: israelische Sicherheitsbedenken mit globalen Forderungen nach Zivilschutz und Konfliktlösung zu vereinen.
Ein schwieriger Weg nach vorn
Die Gaza-Konferenz verdeutlicht, wie schwer es ist, kohärente Politik in einem der langwierigsten und komplexesten Konflikte der Welt zu gestalten. Politische Eitelkeiten, humanitäre Erfordernisse und das Fehlen inklusiver Verhandlungen erschweren jegliche Nachkriegsplanung.
Trump, Blair und Kushner bringen Erfahrung und Netzwerke mit. Doch ihre Vorschläge treffen auf eine Realität, die sich seit früheren diplomatischen Versuchen drastisch verändert hat. Diese Analyse zum Spannungsfeld zwischen Strategie und Machbarkeit findet sich auch hier:
BREAKING: Former UK PM Tony Blair and Jared Kushner joined a White House meeting today on Gaza, presenting President Trump with proposals for a post-war plan. pic.twitter.com/bB1Z5GOZ9Y
— Eyal Yakoby (@EYakoby) August 27, 2025
Ihre Beobachtungen spiegeln eine wachsende Besorgnis in der internationalen Gemeinschaft wider: Strategien wirken oft abgekoppelt von der Realität vor Ort.
Solange Gaza in einem Kreislauf aus Zerstörung, Abhängigkeit von Hilfe und politischer Ausgrenzung gefangen bleibt, wird die Zukunft der US-Politik davon abhängen, ob ihre Architekten langfristige Visionen mit humanitären Erfordernissen und inklusiver Diplomatie in Einklang bringen können. Die Entscheidungen, die in diesen frühen Planungsphasen getroffen werden, könnten nicht nur den Wiederaufbau Gazas, sondern auch die Richtung der amerikanischen Nahostpolitik für Jahre bestimmen.