Bis September 2025 ist jede Wiederbelebung des Iran Atomabkommens von 2015 blockiert. Der zentrale Streitpunkt ist das iranische ballistische Raketenprogramm, dessen Einbindung in ein neues Abkommen die USA zur Bedingung machen. Doch iranische Vertreter lehnen dies entschieden ab. Die US-Voraussetzung mache Gespräche unmöglich, lasse aber die Tür offen, so Ali Larijani, Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats des Iran, auf Social Media.
Bereits durch jahrelanges Misstrauen belastet, brachen die Gespräche während der sechsten Verhandlungsrunde im Juni 2025 zusammen. Diese indirekten Gespräche, vermittelt durch Oman, scheiterten nach zwölf intensiven Tagen, in denen israelische Angriffe auf iranische Ziele und iranische Raketenreaktionen die diplomatische Lage weiter erschwerten. Seitdem besteht Washington auf Raketenkontrollen als Teil eines neuen Abkommens – eine rote Linie für beide Seiten, die den Stillstand weiter vertieft.
Irans Haltung zu Souveränität und Verteidigung
Iran betrachtet sein Raketenprogramm als essentielle Frage der nationalen Verteidigung, die nicht international verhandelt werden kann. Die Regierung in Teheran besteht darauf, dass sich nukleare Diplomatie auf Urananreicherung und zivile Nutzung beschränken müsse. Larijani und andere politische Führer betonen, dass Raketenfragen diplomatisch und strategisch getrennt vom Nuklearthema behandelt werden sollten.
Neueste Entwicklungen, darunter die Anreicherung von Uran auf 60 Prozent – ein Schritt näher an waffenfähigem Material – stärken Irans Position. Teheran behauptet, dies geschehe legal im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags (NPT), solange keine Waffen gebaut würden. Doch internationale Beobachter warnen vor einer stark verkürzten “breakout time”. Drohungen radikaler iranischer Kräfte, aus dem NPT auszutreten und IAEA-Inspektoren auszuweisen, falls neue UN-Sanktionen kommen, zeigen den wachsenden innenpolitischen Druck zur Härte gegenüber dem Westen.
Widerstand gegen Ausweitung der Gesprächsthemen
Obwohl der Iran prinzipiell zu einem neuen Abkommen bereit ist, will er nur eines, das gegenseitig respektiert wird. Teheran will keine Zugeständnisse machen, die nicht eingehalten werden können – eine Anspielung auf den US-Ausstieg aus dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) 2018, der aus iranischer Sicht das Vertrauen zerstört hat. Aus diesem Grund lehnt die Führung neue Raketenklauseln ab, da sie den Charakter früherer Abkommen verändern würden.
US-amerikanischer und europäischer Druck
Aus Sicht Washingtons kann jede Wiederbelebung des JCPOA nur gelingen, wenn Irans Raketenfähigkeiten begrenzt werden. US-Sonderbeauftragter Steve Witkoff erklärte, ein Nuklearabkommen ohne überprüfbare Begrenzung des Raketenbaus könne keine langfristige regionale Sicherheit garantieren. Die Biden-Regierung hatte zunächst erwogen, Nuklear- und Raketenthemen zu entkoppeln, doch der Druck des Kongresses sowie von Partnern wie Israel und den Golfstaaten führte zu einem härteren Kurs.
Witkoffs Team machte deutlich, dass bei diplomatischem Scheitern andere Mittel wie neue Sanktionen, UN-Isolierung oder sogar koordinierte militärische Aktionen denkbar seien. Der Strategiewechsel der USA beruht auch auf der Erfahrung mit dem ursprünglichen JCPOA, das zwischen 2015 und 2018 keine Kontrolle über die parallele Entwicklung des iranischen Raketenprogramms bot.
Europäische Unterstützung für neuen Druck
Die europäischen Unterzeichner des JCPOA – Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich – haben das Streitbeilegungsverfahren des Abkommens ausgelöst (Snapback), da der Iran den Inspektionszugang verweigert und Uranobergrenzen überschreitet. Sie fordern Teheran auf, die Gespräche bis Oktober 2025 wieder aufzunehmen.
Trotz dieser Forderungen fürchten europäische Staaten Vergeltungsmaßnahmen Irans, insbesondere eine Destabilisierung der Ölpreise oder regionaler Konflikte. Dennoch sind sich die transatlantischen Partner einig: Iran muss vollständige Inspektionen zulassen, wenn es neue diplomatische Initiativen geben soll.
Wirtschaftliche und regionale Folgen
Der langanhaltende diplomatische Stillstand belastet die iranische Wirtschaft massiv. Der Rial fällt weiter gegenüber dem Dollar, die Inflation steigt, und Lebensmittelimporte sinken wegen verschärfter Sanktionen. Diese Lage hat vereinzelt zu Protesten in Großstädten geführt, doch die Regierung begegnet ihnen mit verstärkter innerer Sicherheit.
Teheran sieht seine Standhaftigkeit trotz wirtschaftlicher Not als strategische Stärke. In nationalistischen Medien wird die Widerstandsfähigkeit der Islamischen Republik als moralischer Sieg dargestellt, während westliche Sanktionen als ungerecht und ineffektiv kritisiert werden. Iran versucht, sich über Russland und China vom Westen wirtschaftlich unabhängig zu machen – bislang mit begrenztem Erfolg.
Spannungen mit regionalen Gegnern
Die Nuklearkrise verschärft bestehende Spannungen in der Region. Israel warnt vor jedem Abkommen, das Raketen nicht einbezieht, und verstärkt seine verdeckten Operationen gegen iranische Ziele. Parallel nehmen Raketenaktivitäten in Syrien, im Irak und im Libanon zu – angeheizt durch iranische und anti-iranische Stellvertreter.
Der Krieg im Jemen, gestützt durch Irans enge Beziehungen zu den Huthi-Rebellen, bleibt ein Brandherd. Auch die Aktivitäten schiitischer Milizen im Irak werden zunehmend als Teil der geopolitischen Auseinandersetzung zwischen Teheran und Washington gesehen. Der Stillstand in den Hauptgesprächen erschwert damit auch die Lösung dieser sekundären, aber verbundenen Konflikte.
Diplomatie am Scheideweg
Trotz zunehmender Spannungen bestehen weiterhin geheime Kontakte, insbesondere über Oman und Katar. Politische Entscheidungsträger auf beiden Seiten wissen, dass ein völliger Abbruch der Diplomatie langfristig kostspieliger sein könnte als die Kompromisse, die für neue Gespräche nötig wären.
Ali Larijani betonte kürzlich, dass der Weg zu Verhandlungen nicht vollständig verschlossen sei. In einer öffentlichen Erklärung sagte er jedoch auch, dass das iranische Raketenprogramm unter keinen Umständen verhandelbar sei.
The path for negotiations with the US is not closed; yet these are the Americans who only pay lip service to talks and do not come to the table; and they wrongfully blame Iran for it.
— Ali Larijani | علی لاریجانی (@alilarijani_ir) September 2, 2025
WE INDEED PURSUE RATIONAL NEGOTIATIONS. By raising unrealizable issues such as missile…
Dies macht deutlich: Diplomatie bleibt möglich – aber nur innerhalb eines Rahmens, der nationale Würde und strategische Autonomie wahrt.
Die Rolle externer Akteure
Russland und China unterstützen Irans Ablehnung einseitiger Sanktionen und setzen auf diplomatische Flexibilität. Moskau nutzt sein Veto im UN-Sicherheitsrat, um westliche Vorstöße zu blockieren, während Peking wirtschaftliche Kooperation über die Neue Seidenstraße bevorzugt. Diese Unterstützung erschwert die westliche Isolationspolitik und schwächt die US-Verhandlungsmacht.
Gleichzeitig begrüßen Golfstaaten wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate den härteren Kurs gegen Teheran, verfolgen aber auch vorsichtige Normalisierungsstrategien. Diese Balance zeigt, wie weitreichend Irans Nukleardiplomatie ist und wie sie Allianzen und Rivalitäten im gesamten Nahen Osten beeinflusst.
Strategische Unsicherheit und die Zukunft der Nichtverbreitung
Der Stillstand zwischen Iran und den USA im Jahr 2025 macht deutlich, wie schwierig es ist, nationale Souveränität mit globalen Sicherheitsstandards zu vereinen. Zwar bleibt die Verhinderung nuklearer Bewaffnung ein zentrales Ziel, doch die Mittel zur Durchsetzung schwinden angesichts geopolitischer Zersplitterung und schwindenden Vertrauens.
Die Raketenfrage ist dabei mehr als nur ein technisches Problem der Rüstungskontrolle – sie steht sinnbildlich für tiefere strategische Gegensätze. Während die USA auf vollständige Abrüstung für regionale Stabilität pochen, sieht der Iran in der Raketenentwicklung ein zentrales Abschreckungsmittel unter fortwährender Bedrohung.
Ob dieser Stillstand in neue Gespräche mündet oder in offene Konfrontation eskaliert, bleibt offen. Klar ist jedoch: Das Zeitfenster für konstruktive Diplomatie schließt sich. Die kommenden Monate werden zeigen, ob gemeinsame Interessen stärker sind als ideologische Gräben oder ob der Nahe Osten in eine neue Phase strategischer Zersplitterung eintritt.