Die Wiederwahl von Präsident Donald Trump im Jahr 2024 eröffnete eine erneute Auseinandersetzung mit den Grundlagen der internationalen Beziehungen. Sein Verständnis von Weltpolitik und Diplomatie setzte stärker auf transnationale Interaktionen, allerdings ohne eine wirkliche Demokratisierung globaler Prozesse?
Besonders deutlich zeigte sich dies bei seiner Nahost-Reise 2025 mit hochrangigen Besuchen in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar. Dort setzte er auf massive wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusagen: ein Rüstungsdeal über 142 Milliarden Dollar mit Riad sowie Investitionszusagen der Emirate von einer Billion Dollar bis 2030. Diese Abkommen zeigen klar den außenpolitischen Kurs Trumps – ökonomische Angebote als Vorstufe zur Diplomatie.
Seine Präferenz für bilaterale Vereinbarungen markiert eine Abkehr von der konsensbasierten Diplomatie. Sicherheit und wirtschaftliche Interessen haben für Trump Vorrang vor multilateralen Institutionen und demokratischen Reformen. Zwar kann diese Strategie kurzfristig Ergebnisse bringen, ihre Fähigkeit, langwierige Konflikte im Nahen Osten zu lösen, bleibt jedoch umstritten.
Geopolitische Neuordnungen und ihre Komplexitäten
Washingtons Bemühungen, die arabisch-israelische Normalisierung voranzutreiben, wurden unter Trumps transaktionalem Ansatz beschleunigt. Nach dem Muster der Abraham-Abkommen förderte seine Regierung eine verstärkte Verteidigungs- und Wirtschaftskooperation zwischen Israel und den Golfstaaten. Auch Gespräche über eine Normalisierung mit Saudi-Arabien wurden Anfang 2025 wiederaufgenommen, stagnierten jedoch angesichts der Spannungen um Gaza und Jerusalem.
Parallel dazu führte Trump Hintergrundgespräche mit dem Iran, um ein neues Nuklearabkommen zu erreichen. Zwar nicht so umfassend wie das JCPOA, beinhaltete der Vorschlag jedoch Handelsgeschäfte, die Sanktionserleichterungen gegen eine begrenzte Urananreicherung vorsahen. Diese Gespräche verdeutlichten erneut die Tendenz, nukleare Fragen als „Handelseinheit“ innerhalb einer transaktionalen Logik zu behandeln.
Kontroverse Wirtschaftsvisionen und regionaler Widerstand
Besonders umstritten ist das Vorhaben eines „Riviera des Nahen Ostens“ entlang der Küste von Gaza, das Tourismus und internationale Investitionen anziehen soll. Kritiker verurteilen dieses Projekt, da es die palästinensischen Ansprüche auf Selbstbestimmung ausblendet und stattdessen wirtschaftliche Strukturen über politische Fragen stellt. Palästinensische Gruppen wie auch internationale Hilfsorganisationen sehen darin einen von außen erzwungenen Versuch, die Zukunft Gazas ohne Rücksicht auf Besatzung und Souveränität umzugestalten.
Die Vorstellung, Frieden als Investitionspaket statt als Prozess auf Basis von Rechten zu begreifen, hat lokalen Widerstand verstärkt und Ängste geschürt. Transaktionale Diplomatie riskiert, volatile Bedingungen zu schaffen, da sie historische Ungerechtigkeiten übergeht.
Auswirkungen auf Konfliktlösung und Friedensaussichten
Trotz groß angekündigter Waffenruhen bleibt Gaza in einer Spirale der Gewalt gefangen. Im Jahr 2025 setzten sich gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Hamas und israelischen Truppen fort, ohne dass eine dauerhafte Sicherheit erreicht wurde. Die USA konnten mit wirtschaftlichen Zusagen zwar temporäre Deeskalationen fördern, jedoch keine politischen Gespräche vertiefen.
Transaktionale Diplomatie zielt weniger auf Versöhnung als auf Stabilisierung. Infrastrukturprojekte, Rüstungsgeschäfte und wirtschaftliche Anreize ersetzen klassische Werkzeuge der Diplomatie wie Mediation oder Anerkennungsprozesse. Dies führt zwar zu oberflächlicher Ruhe, blendet jedoch tieferliegende Konfliktursachen wie Vertreibung, Besatzung und ungeklärte Staatlichkeit aus.
Breitere Auswirkungen auf Friedensbemühungen
Dieses Modell stößt auch in anderen Konfliktregionen an Grenzen. In Syrien boten US-Vertreter Energieinfrastruktur-Unterstützung für kurdisch kontrollierte Gebiete an, ohne eine langfristige Lösung für den zersplitterten Staat vorzuschlagen. In Libanon scheiterte ein US-Vorschlag für mehr Wiederaufbauhilfen im Austausch gegen Sicherheitsgarantien in Hisbollah-dominierten Regionen am inneren Konsens. Diese Beispiele zeigen die Grenzen einer Politik, die Frieden als verhandelbare Ware versteht, nicht als inklusiven Prozess.
Kritik im In- und Ausland
Trumps Bundeshaushalt 2025 setzte deutliche Prioritäten: Stärkung von Einwanderungskontrollen und Verteidigungsausgaben, während das State Department und USAID um fast 40 % gekürzt wurden. Damit verloren klassische diplomatische Institutionen, die für Mediation und Wiederaufbau zentral sind, erheblich an Einfluss.
Europäische Partner äußern zunehmend Besorgnis über den US-Rückzug aus multilateralen Strukturen. Frankreich und Deutschland betonen die Notwendigkeit inklusiver Verhandlungsmechanismen im israelisch-palästinensischen Konflikt. Sie warnen, dass bilaterale Deals mit autoritären Regimen exklusive Machtstrukturen verfestigen könnten. Die Abwesenheit von zivilgesellschaftlichen Akteuren in Trumps Nahost-Agenda verschärft diese Kritik.
Politische Kommentierung und veränderte Prioritäten
Der Analyst Clandestine kommentierte in sozialen Medien:
„Trumps Ansatz gestaltet den Nahen Osten durch die Brille von Transaktionalismus und ökonomischem Pragmatismus um, was kurzfristige Erfolge bringt, aber kaum Hoffnung auf nachhaltigen Frieden.“
You all might not like it or agree with it, but what we are witnessing is Trump negotiating on the world stage.
— Clandestine (@WarClandestine) June 17, 2025
It reminds me of when Trump threatened Kim Jong Un with “fire and fury the likes of which the world has never seen”.
The next year Trump and KJU held a peace summit… pic.twitter.com/r8ChamZckk
Diese Einschätzung spiegelt den wachsenden Konsens wider: Transaktionale Diplomatie erzielt zwar sichtbare Resultate, löst jedoch selten die strukturellen und identitätsbasierten Konfliktfaktoren.
Verschiebung des regionalen Machtgleichgewichts
Trumps Wiederannäherung hat auch die Wahrnehmung amerikanischen Einflusses verändert. Die Golfstaaten stärken durch Waffenimporte und Sicherheitsgarantien ihre Rolle in der Regionalpolitik. Israel vertiefte seine Beziehungen zu wichtigen arabischen Hauptstädten und sicherte zugleich seine militärische Überlegenheit. Iran wiederum verstärkte seine indirekten Aktivitäten durch Stellvertreter-Milizen und stellte so US-geführte Koalitionen infrage, ohne die USA direkt herauszufordern.
Diese Machtdynamik, die ohne eine umfassende Friedensstrategie auskommt, hat ein Vakuum geschaffen. Transaktionale Diplomatie kann Konflikte zwar temporär eindämmen, bleibt jedoch langfristig ineffizient angesichts tiefer politischer und gesellschaftlicher Brüche.
Langfristige Implikationen und strategische Unklarheit
Der transaktionale Ansatz bringt eine erhebliche Unbeständigkeit in die US-Außenpolitik. Abkommen können kurzfristig verhandelt und ebenso schnell wieder aufgekündigt werden. Dies erzeugt Misstrauen bei regionalen Partnern und erschwert eine vorausschauende Planung für kommende US-Regierungen, die ein Konglomerat an institutionell schwachen Vereinbarungen erben könnten.
Das anhaltende Dilemma von Macht und Diplomatie
Trumps zweite Amtszeit im Nahen Osten offenbart ein zentrales Paradox internationaler Politik: der Drang nach unmittelbaren Erfolgen versus das Ziel langfristiger Stabilität. Transaktionale Diplomatie liefert greifbare Ergebnisse – Verträge, Waffengeschäfte, Investitionszusagen –, bleibt aber begrenzt in ihrer Fähigkeit, konfliktreiche Regionen nachhaltig zu transformieren.
Ob die Trump-Regierung ihren Kurs hin zu umfassenderen Konfliktlösungsansätzen korrigiert oder weiter auf Transaktionalismus setzt, wird nicht nur die Zukunft des Nahen Ostens, sondern auch das Erbe amerikanischer Diplomatie in einer der volatilsten Weltregionen prägen.
Diese Strategie wirft grundsätzliche Fragen auf: nach globaler Führung, nach der Rolle geschwächter multilateraler Institutionen und nach dem Recht auf Selbstbestimmung der Bevölkerungen, die seit Jahrzehnten im Kreuzfeuer geopolitischer Machtspiele gefangen sind.