Die Politik hinter den Zöllen: Was steckt hinter dem US-Druck auf Südafrikas Innenpolitik?

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The politics behind tariffs: understanding US pushback on South African policies
Credit: Reuters

Die Handelsbeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Südafrika haben Mitte 2025 eine neue Eskalationsstufe erreicht. Washington kündigte an, ab dem 1. August Zölle in Höhe von 30 Prozent auf bestimmte südafrikanische Waren zu erheben. Diese Maßnahme gilt als eine der offensten Attacken eines wichtigen Handelspartners auf die wirtschaftlichen Nach-Apartheid-Politiken Südafrikas.

US-Vertreter rechtfertigen die Zölle mit angeblich nicht-reziproken Handelspraktiken und verweisen auf wirtschaftliche Gesetze in Südafrika, die aus ihrer Sicht auf rassischer Grundlage diskriminieren. Insbesondere die Politik der Black Economic Empowerment (BEE) wird dabei als Handelshemmnis dargestellt, das amerikanische Unternehmen beim Marktzugang benachteilige.

Die Regierung Südafrikas betrachtet BEE jedoch als zentrales Instrument ihrer sozioökonomischen Transformation – ein unverzichtbarer Bestandteil zur Behebung historischer Ungleichheiten aus der Apartheid-Ära. Der US-Tarifdruck ist eingebettet in eine breitere Neuordnung der globalen Handelspolitik unter der zweiten Amtszeit von Präsident Trump, bei der wirtschaftlicher Druck als geopolitisches Instrument eingesetzt wird.

Umstrittene Handelsdaten und diplomatische Bemühungen

Präsident Cyril Ramaphosa wies die Begründungen für die Strafzölle entschieden zurück. Er wirft der US-Regierung vor, selektiv mit Handelsdaten umzugehen und dabei das tatsächliche Gleichgewicht im bilateralen Austausch zu ignorieren. Laut südafrikanischen Angaben beträgt der durchschnittliche Zollsatz auf US-Produkte lediglich 7,6 Prozent, während über die Hälfte der US-Waren zollfrei unter Meistbegünstigungsbedingungen importiert werden.

Trotz öffentlichem Druck verfolgt Pretoria seit 2001 eine Strategie der diplomatischen Einbindung statt Vergeltung. Am 20. Mai 2025 unterbreitete Südafrika ein umfassendes Rahmenangebot an die USA, das zentrale Kritikpunkte ansprach – darunter Fragen zur Marktöffnung, zu Beschaffungsvorschriften und Eigentumsregeln. Während des US-Afrika-Gipfels im Juni signalisierte Washington, dass Änderungen möglich seien, sofern Pretoria zu politischen Anpassungen bereit sei.

BEE im Fokus: Rassengleichheit oder Handelshemmnis?

Die BEE-Politik, seit 2003 in Kraft und seither mehrfach ausgeweitet, verpflichtet Großunternehmen zu mehr schwarzem Eigentum und Teilhabe. Aus Sicht der USA stellt dies eine versteckte Handelsbarriere dar, die ausländische Investoren benachteilige. Südafrika hingegen betont, dass diese Maßnahmen notwendig seien, um strukturelle Privilegien abzubauen. Sie gelten gleichermaßen für inländische und ausländische Unternehmen und enthalten Ausnahmeregeln in wettbewerbssensiblen Sektoren wie Energie und Landwirtschaft.

Vorwürfe der Diskriminierung: Die weiße Bauernfrage

Die US-Regierung kritisiert verstärkt die angebliche Diskriminierung weißer Farmer und Minderheitenunternehmen in Südafrika. Pretoria weist diese Anschuldigungen als politisch motivierte Verzerrung zurück. Präsident Ramaphosa betont, dass BEE keine Umkehrdiskriminierung sei, sondern auf verfassungsmäßigen Prinzipien der Chancengleichheit beruhe.

Gleichwohl belasten diese Narrative das bilaterale Vertrauen und erschweren den Verlauf der laufenden Handelsgespräche.

Wirtschaftliche Folgen: Arbeitsplätze in Gefahr

Die neuen US-Zölle könnten weitreichende ökonomische Auswirkungen haben. Besonders bedroht ist die Automobilindustrie, die über 60 Prozent der südafrikanischen Fertigungsexporte in die USA ausmacht. Auch Obst- und Weinbauern befürchten Produktionsverluste, die über 100.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze gefährden könnten.

Wirtschaftsverbände, insbesondere die Südafrikanische Industrie- und Handelskammer, warnen vor einem gravierenden Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Die Regierung verhandelt daher über sektorale Ausnahmen, etwa für den Schiffbau und Agrarhandel, während sie gleichzeitig Handelsdiversifizierung in Asien und Lateinamerika vorantreibt.

Geopolitische Dimension: Afrika unter US-Lupe

Die Strafmaßnahme gegen Südafrika muss auch im Kontext der US-Afrika-Politik 2025 betrachtet werden. Unter Präsident Trumps zweiter Amtszeit dominiert ein unilateraler Kurs. Dabei setzt Washington auf Zölle und Hilfskürzungen, um Reformdruck auf afrikanische Staaten auszuüben. Südafrika ist bislang das einzige Land auf dem Kontinent, das direkt mit solchen Sanktionen konfrontiert ist – ein Indiz für seine geopolitische Relevanz in Washingtons Strategie.

Zudem läuft die Debatte im US-Kongress zur Verlängerung des African Growth and Opportunity Act (AGOA), der im September 2025 ausläuft. Südafrikas Umgang mit der aktuellen Krise wird daher als Wegweiser für die künftigen US-Handelsbeziehungen mit Afrika wahrgenommen.

Strategisches Ringen um Kompromisse

Viele Fachleute sehen im gegenwärtigen Stillstand auch eine Taktik Washingtons: Durch wirtschaftlichen Druck soll getestet werden, inwieweit Pretoria bereit ist, innenpolitische Normen zugunsten von Handelsvorteilen zu justieren. Doch Südafrikas Handlungsspielraum ist begrenzt. Zugeständnisse, die das innenpolitisch heikle BEE-Konzept schwächen, könnten innenpolitisch massiven Widerstand hervorrufen – insbesondere im Vorfeld der für Mitte 2026 erwarteten Wahlen.

Diplomatenkreise halten einen Kompromiss für möglich: mehr Transparenz bei Eigentumsanforderungen ohne vollständigen Rückbau von BEE. Südafrikanische Verhandlungsführer arbeiten derzeit an einem neuen bilateralen Format, das neben Zollregelungen auch soziale Schutzklauseln umfasst.

Globale Wirkung und konkurrierende Narrative

Der Analyst Will Tanner bemerkte treffend:

„Der US-Druck offenbart tiefe Spannungen zwischen Zielen der Handelsliberalisierung und Maßnahmen zur innerstaatlichen Gleichstellung – Südafrika steht vor der schwierigen Aufgabe, wirtschaftliche Souveränität mit internationalen Partnerschaften zu vereinbaren.“

Tanners Einschätzung bringt die zentrale Herausforderung auf den Punkt: Der Konflikt steht exemplarisch für den wachsenden Widerspruch zwischen nationalen Gleichstellungspolitiken und internationalen Freihandelsansprüchen. Nicht nur Südafrika, sondern viele Schwellenländer sehen sich zunehmend mit der Frage konfrontiert, wessen Normen den globalen Handel definieren – und ob das aktuelle System Platz für ökonomische Vielfalt lässt.

Angesichts nahender Fristen und intensiver diplomatischer Gespräche könnte der Ausgang der Südafrika-USA-Verhandlungen ein global bedeutsames Präzedenzfall schaffen – mit Folgen für Gerechtigkeitsdebatten, wirtschaftliche Souveränität und multilaterale Zusammenarbeit weit über den afrikanischen Kontinent hinaus.Tools

Research Staff

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