Wohltätigkeitsorganisationen, in deren Vorständen Unternehmensführer sitzen, geben jährlich rund 130.000 US-Dollar für Lobbyarbeit zugunsten ihrer verbundenen Unternehmen aus. Das zeigt eine bahnbrechende Studie, die aufdeckt, wie Konzerne von ihren wohltätigen Aktivitäten profitieren – und wie bereitwillig gemeinnützige Organisationen mit einflussreichen Vorstandsmitgliedern zusammenarbeiten, um im Gegenzug lukrative Verbindungen zu sichern.
Die Studienautoren erklärten gegenüber der BBC, ihre Forschung könne politischen Entscheidungsträgern und Verantwortlichen in gemeinnützigen Organisationen helfen, eine bislang unbekannte Einflussmöglichkeit der Politik in diesem Bereich zu überwachen – auch wenn solche Arrangements derzeit völlig legal sind.
„Wohltätigkeitsorganisationen können selbst einen Nutzen daraus ziehen, so zu handeln. Es ist nicht immer so, dass Konzerne sie zu etwas zwingen, das sie nicht wollen“,
sagt Sehoon Kim, Ph.D., Finanzprofessor an der University of Florida und Hauptautor der Studie.
„Es ist eine natürliche Beziehung auf Gegenseitigkeit, die sich aus den jeweiligen Anreizen von Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen ergibt.“
Ein konkretes Beispiel für solche Anreizmechanismen liefert die American Medical Association (AMA). In den 2010er Jahren setzte sie sich vehement gegen Maßnahmen der Bundesbehörden zur Einschränkung der Opioidverschreibungen ein. Davon profitierten unter anderem Unternehmen wie Purdue Pharma – Hersteller von OxyContin – das maßgeblich für die Verschärfung der US-amerikanischen Opioidkrise verantwortlich gemacht wird.
Der damalige Geschäftsführer von Purdue, Richard Sackler, war Mitglied des Stiftungsvorstands der AMA – eine Verbindung, die schon damals kritisch gesehen wurde. Sackler hatte Millionen an Spenden an die Stiftung geleistet. Andere gemeinnützige Organisationen hoffen möglicherweise auf ähnliche Großspenden von Unternehmensvertretern im Vorstand, indem sie über deren Kontakte weitere spendable Firmen und Persönlichkeiten ansprechen.
Eine koordinierte Lobbykampagne zugunsten dieser „neuen Freunde“ ist damit womöglich schlicht der kostengünstigste Weg, um solche Spendenströme dauerhaft zu sichern. Kim arbeitete gemeinsam mit dem UF-Professor Joel Houston, Ph.D., sowie Changhyun Ahn, Ph.D., von der Chinese University of Hong Kong an der Analyse, die demnächst in der Fachzeitschrift Management Science erscheint.
Die Forscher sichteten manuell Daten von über 400 Wohltätigkeitsorganisationen und mehr als 1.000 Unternehmen, die Vorstandsverbindungen, Spenden und Lobbyaktivitäten innerhalb und außerhalb der üblichen politischen Tätigkeiten der Organisationen meldeten. Sie konzentrierten sich auf größere Organisationen, die bereits eigene Lobbyarbeit betreiben. Diese lobbyierenden NGOs sind im Schnitt dreimal größer als kleinere Non-Profits ohne jegliche politische Aktivitäten.
Nach der Aufnahme eines neuen Unternehmensvertreters in den Vorstand änderten die Organisationen ihr Verhalten merklich: Sie lobbyierten häufiger für Themen, die außerhalb ihrer eigentlichen Zielsetzung lagen, und setzten sich sogar aktiv für Gesetzesvorhaben ein – oder versuchten diese zu verhindern – wenn sie den Interessen des neuen Vorstandsmitglieds dienten. Selbst dann, wenn die Vorhaben keinen Bezug zur eigentlichen Mission der Organisation hatten. Im Schnitt bedeutete dies eine Erhöhung des Lobbybudgets um rund 14 Prozent.
„Das waren die rauchenden Colts, die zeigten: Hier läuft etwas, das nicht passieren sollte“,
so Kim. Da Lobbyarbeit ein äußerst kosteneffizientes Mittel sei und Wohltätigkeitsorganisationen ihren guten Ruf für solche Kampagnen zur Verfügung stellen könnten, profitierten verbundene Unternehmen erheblich von dieser Unterstützung.
„Das sind bislang kaum beachtete Einflusskanäle der Unternehmenspolitik, die politische Entscheidungsträger bei der Bewertung unternehmerischer Macht dringend mit einbeziehen sollten“,
betont Kim.